“Der digitale Staatsstreich in den USA” – Deutschlandfunk Kultur, Politisches Feuilleton

Seit der Amtseinführung von Donald Trump bahnt sich in den USA eine beispiellose Machtübernahme an: Elon Musk und seine Tech-Ingenieure übernehmen systematisch die Bundesverwaltung. Durch Einschüchterung und Überrumpelung entlässt Musk massenweise Verwaltungsangestellte und verschafft sich Zugang zur kritischen EDV- und Dateninfrastruktur. Diese Entwicklung geht weit über klassische Regierungsumbildungen hinaus. Im Deutschlandfunk Kultur, “Politisches Feuilleton”, habe ich Musks Vorgehen mit einem digitaler Staatsstreich verglichen, der den Rechtsstaat von seiner infrastrukturellen Seite her aushöhlen und abschaffen soll.

Originalpublikation

Es handelt sich bei dem Radiobeitrag um eine kürzere Fassung meines auf dem Verfassungsblog erschienenen Artikels „Trump und der neue Faschismus: Warum der Griff nach dem Verwaltungsapparat so gefährlich ist“.

  1. Mühlhoff, Rainer. 2025. „Trump und der neue Faschismus: Warum der Griff nach dem Verwaltungsapparat so gefährlich ist“. Verfassungsblog, Februar. doi:10.59704/854f51e58c05b98e.

Radio-Beitrag zum Nachlesen

Hier der volle Sprechtext des Radio-Beitrags.

Elon Musks digitaler Coup

Donald Trump hat Elon Musk per Executive Order an die Spitze eines neuen „Department of Government Efficiency“ gesetzt – ein Titel, der irreführend harmlos klingt. Denn Musks Maßnahmen zielen nicht auf Effizienzsteigerung innerhalb des bestehenden Systems, sondern auf den radikalen Umbau des Rechtsstaats zu einem autoritären digitalen Apparat. Zuerst übernahmen Musks Leute die zentrale Personalstelle der Bundesverwaltung: Führungskräfte wurden ersetzt, Zugangssysteme blockiert, Daten gesichert. Seither folgten zahlreiche weitere Verwaltungsorgane, darunter sogar das Zahlungssystem des US Finanzministeriums, das jährlich Billionen Dollar verwaltet. Binnen Tagen hatten Musks Handlager Zugriff auf weitreichende Datensätze über Empfänger von Sozialleistungen, Gehältern, Dienstleistungsaufträgen und staatlichen Subventionen.

Dieser Vorgang stellt einen alarmierenden Qualitätssprung in Trumps politischem Projekt dar. Denn hier droht – ohne demokratisches Mandat – eine Übernahme der Verwaltungsabläufe durch Akteure der Big Tech Industrie. Trump hat über die letzten Jahre unter den Tech-Milliardären neue und sehr mächtige Verbündete gefunden: Während sich das Silicon Valley in Trumps erster Amtszeit mehrheitlich noch distanziert verhielt, sind viele CEOs großer Unternehmen wie Facebook und Instagram, Amazon und Oracle mittlerweile auf die ultra-rechte Politik eingeschwenkt: sie erkennen nämlich, dass anti-demokratische und autoritäre Strukturen den Interessen ihrer Tech-Oligarchie dienen.

Der Zugriff auf staatliche Daten eröffnet den beteiligten privatwirtschaftlichen Akteuren nie dagewesene Möglichkeiten der Kontrolle, Manipulation und Bereicherung. Damit kann nicht nur Musk seine Konkurrenz bei der Vergabe staatlicher Aufträge ausschalten – seine Firmen haben allein bis 2023 rund 15 Mrd. USD vom Staat erhalten. Sollten die Daten sogar in die Hände von Akteuren der Versicherungs- und Finanzindustrie geraten, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zur systematischen Klassifikation und Diskriminierung vulnerabler Bevölkerungsgruppen, wie etwa von Kranken, undokumentierte Migranten, sowie Empfängern von Transferleistungen verwendet werden.

Um zu verstehen, warum im Zusammenspiel von Tech-Milliardären und Alt-Right-Politik solche rechtsstaatsfeindlichen Risiken schlummern, muss man auf die ideologische Prägung dieser Milieus schauen. Musk, als Vater von 13 Kindern, bekennt sich zum selektiven Pronatalismus. Das ist eine rassistische und elitistische Ideologie, nach der es zur Sicherung des Überlebens der Menschheit die moralischen Pflicht der Weißen und gut Gebildeten sei, so viele Kinder zu bekommen wie möglich. Als Libertärer ist Musk – wie viele andere im Silicon Valley – gegen jede Einmischung des Staates in die individuelle Freiheit. Einen demokratischen Apparat, der Umverteilung zur Sicherung des Existenzminimums oder zum kollektiven Ausgleich individueller Nachteile und Härten im Kapitalismus vorsieht, den fassen Libertäre als feindliche Institution auf, die zerstört werden müsse. Libertarismus läuft auf einen neuen Sozialdarwinismus hinaus – nach dem es im Überlebensinteresse der Menschheit sei, die Schwachen sterben zu lassen, während sich die Erfolgreichen durchsetzen sollen.

Und so verwundert es nicht, dass Programme zur Reduktion „irregulärer“ Auszahlungen staatlicher Mittel schon in Trumps erster Amtszeit die Reichen verschonten und vor allem Arme und Kranke trafen, die ohne effektiven Rechtsweg unschuldig kriminalisiert wurden. Was hier als Abbau von Bürokratie verkauft wird, kann sich sehr schnell als Abbau von Demokratie und Menschenrechten in einem neuen digitalen Autoritarismus entpuppen. Wer – auch hierzulande – nach “mehr” Elon Musk ruft, der sollte sich bewusst sein: dieser Name steht ab jetzt für einen Staatsstreich. Was Musk betreibt, ist nicht einfach eine sehr weit rechts stehende Politik innerhalb des demokratischen Spektrums – sondern die Sabotage des demokratischen Systems überhaupt.

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